Aus dem Zen kennen wir Sätze wie: Geist des Nichtwissens oder Zengeist - Anfängergeist.
Diese sogenannten Koans haben ihren Ursprung im alten Indien. Sie kommen oft von Buddha Shakyamuni selbst, oder von seinen direkten Schülern. In späteren Zeiten entstanden in China ganze Koan Sammlungen, die ein Mönch im Laufe seiner Ausbildung bearbeiten musste. Ein Koan ist ein Satz oder eine kurze Geschichte, die oft in einer Frage endet. Diesen Satz oder diese Frage sollen die Meditierenden verstehen bzw. beantworten. Manchmal beschäftigt sich eine Schülerin Jahre lang mit ein und demselben Koan, bis sich ihr dessen Sinn oder Nichtsinn erschließt. Dabei ist ein Koan nie rational zu lösen, der Verstand ist der Lösung eher im Weg.
In einem dieser Koans hält Buddha eine Blüte hoch und sein engster Begleiter, Kashiapa, sieht diese Geste, lächelt und erwacht. Der Buddha und Kashiapa sind in diesem Augenblick zutiefst miteinander verbunden.
In einem anderen Koan fragt ein Schüler den Buddha: was ist das Tor zur Nicht – Dualität. Als Antwort sitzt Shakyamuni in Stille versunken. Durch die Geste Buddhas wird der Schüler aufgefordert zu erkennen, was diese Stille wirklich ausdrückt.
Die meisten überlieferten Koans kommen aus der chinesischen Tang Dynastie (600-900 nach Christus), die Hochzeit des Zen in China.
Im Jahr 800 war der Mönch Hogan auf Pilgerreise von Kloster zu Kloster. Zu pilgern bedeutete in diesen Zeiten: ich gehe, wo der Wind mich hinträgt.
Heutzutage haben Pilger immer ein Ziel. Dieter Glogowski schreibt im Untertitel seines sowohl prachtvollen wie auch weisen Bildbandes NEPAL – ACHT: Der Weg hat ein Ziel.
Die Zen Pilger im Jahre 900 hatten keinen Plan, wohin sie pilgerten. Sie ließen sich treiben, nahmen, was kam. Ihre Suche nach Erleuchtung war völlig unbegrenzt.
Auf seinem langen Weg machte Mönch Hogan eines Tages halt in einem Zen-Kloster. In der Nacht kam ein Schneesturm auf, der drei Tage lang eiskalt und ungestüm tobte. Am vierten Morgen konnte Hogan endlich seine Pilgerreise fortsetzen. Als er aus der Tür trat begegnete ihm der Zen Meister des Klosters. Der Meister fragte: was tust du? Hogan antwortete: Ich befinde mich auf Pilgerreise, gehe, wo der Wind mich hintreibt.
Aus dem Nichts fragte der Meister: Was ist pilgern? Was ist es, das du da tust?
Da hielt Hogan inne und merkte, dass er keine Antwort auf diese Frage hatte. Er nahm wahr, dass er es nicht wusste. Er sagte: ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich da tue.
Die Erkenntnis schlug ein, wie ein Blitz. Der Meister sah ihn an und sagte: Nicht wissen ist das Intimste, das Innigste überhaupt.
Mit diesen Worten erwachte Hogan. Er hatte eine tiefe Erkenntnis, machte eine große Erfahrung mit sich selbst.
Nicht Wissen ist das Intimste, das Innigste.
Wir können uns jetzt auf unser Kissen setzen und reflektieren, wie viel wir wissen von dem was wir tun.
Wir werden geboren, wachsen gut oder weniger gut auf, folgen unseren Wegen, haben Berufe, heiraten, begleiten Kinder usw. Und dann werden wir alt und sterben. Was tun wir wirklich?
Plötzlich war es Hogan möglich dieser Frage ins Gesicht zu schauen. Zu realisieren, nicht zu wissen, sich einzugestehen nicht zu wissen, ist ein fruchtbarer, hilfreicher Zustand. Die Erlösung von allen vorgefassten Meinungen, Vorurteilen und Annahmen und unserem individuellen Verständnis unseres Lebens, ist oft eine nötige Vorstufe zu einem generellen Loslösen von Erwartungen und Vorstellungen und vielleicht endet es sogar in einer Loslösung von unserer Vorstellung, was wir sind und wer wir sind. Und wenn das geschieht, erfahren wir vielleicht Erwachen, plötzliche Erleuchtung.
Es ist vielleicht hilfreich sich klar zu machen, dass wir nie wissen können, was Erleuchtung/Erwachen wirklich ist, bis wir es erfahren haben. Manchmal wissen wir so eine Erfahrung auch im Nachhinein nicht wirklich einzuordnen. Wir können unsere Eindrücke vielleicht benennen aber die Erfahrung des Erwachens geht über unser Wissen und unser Verstehen hinaus. Es gibt nichts zu finden, was nicht schon da ist. Erwachen ist ein verändertes Wahrnehmen von dem, was schon da ist.
Fange damit an, deine Gedanken ziehen zu lassen. Auch den Gedanken irgendetwas zu wissen, ziehen zu lassen. Lass den Gedanken etwas über Meditation zu wissen oder darüber wer oder was wir sind und was wir tun, einfach weiter ziehen. Wie ist es, nicht zu wissen, was du tust? Wie ist es dich von all den Themen und Erwartungen und Bildern zu lösen. Was immer unser inneres Konzept der Meditation ist......wie wäre es, uns davon zu lösen. Nur jetzt da sein. Ohne irgendetwas zu wissen. Im Augenblick ankommen. Jetzt. Nur diese Worte hören, sonst nichts. Jetzt erfahren. Bewusstsein. Jetzt. Hier. Dieser Augenblick.
Der ZenMeister in unserer Geschichte sagt: Nicht Wissen ist das Intimste, das Innigste.
Das Innigste....Sich zu lösen von all dem was wir denken zu wissen, bringt uns näher zum Hier und Jetzt. Unser Wissen loszulassen bringt uns immer näher zu diesem Jetzt. Wie inniglich sind wir wirklich? Können wir so intim sein, dass wir noch intimer sind mit diesem Erleben des Jetzt? Ganz einfach, indem wir uns lösen von unserem Wissen. Unser Wissen verlassen, unser Selbst verlassen und im Moment aufgehen. Nur jetzt, jetzt.
Dieser Text entstand in Anlehnung an eine Vorlesung von Henry Shukman