Tadasana Tada=Berg
Tadasana gilt als Ausgangshaltung für alle Standhaltungen. Es ist aber auch eine wunderbare Haltung um zu verschnaufen und zur Ruhe zu kommen. Wir sollten sie viel öfter nutzen, um uns mental auf ein Asana vorzubereiten.
Als ich vor vielen Jahren, an meinem ersten Morgen im Himalaya, am Fuße des Kanchenjunga – dritthöchster Berg der Erde – sehr früh erwachte, glühte die Bergspitze orange und der Rest der Welt lag in der Dämmerung. Ich war überwältigt von der Kraft und Schönheit dieses Berges. Intuitiv war ich sofort verbunden mit dem Glauben der Himalayavölker, dass die Berge die Wohnstätten der Götter seien. Voller Ehrfurcht und Ergriffenheit stand ich regungslos da und schaute hinauf. Bereits an diesem ersten Morgen wusste ich, dass ich immer wieder in die Bergwelten der Himalayas zurückkehren würde. Wenn ich heute Ladakhs Haupstadt Leh anfliege, rechts und links des Industales die Sechs- und Sieben Tausender, bin ich voller Vorfreude auf eine Zeit der absoluten Stille in den Berglandschaften zwischen Karakorum und Himalayakette.
Berge haben seit je her eine tiefe Symbolkraft. In Indien sind Berge heilige Pilgerorte. Deshalb erreicht man Hindutempel immer über etliche Treppen die erklommen werden müssen und die buddhistischen Tempel des tibetischen Raums liegen fast immer auf einem Berg und auch dann muss man noch viele Treppen hinaufsteigen.
Der mystische Weltenberg Meru ist für den Yogi das Berg-Symbol schlechthin. Alle Sterne und Planeten kreisen um Meru, seine Basis liegt tief in der Erde und er reicht bis ins Universum. Aus ihm entspringen unzählige Quellen, die die Welt der Menschen, Tiere und Pflanzen nähren.
Wir Menschen sind ein Abbild Merus. Über die Füße tief verwurzelt in der Erde und über die Kopfkrone verbunden mit dem Himmel sind wir alle ein Teil dieser wunderbaren Natur, die uns nährt. Unsere innere Achse ist Shushumna, der Energiekanal rechts und links unserer Wirbelsäule. Die Wirbelsäule selbst richtet uns auf, Shushumna versorgt uns mit Prana.
In Tadasana zu stehen, vermittelt uns all diese Erfahrungen. Wir verbinden uns über die Füße mit der Erde, mit der Realität des Lebens, egal wie sie sich uns gerade präsentiert. Wir befrieden uns mit all dem, was wir nicht verändern können und gestalten die Dinge, die sich gestalten lassen. Erdverbunden wie der Berg, den es herzlich wenig interessiert, wie gerade das Wetter ist oder wer auf ihm herumklettert. Wir stehen fest auf der Erde und strecken uns himmelwärts. Über die Kopfkrone öffnen wir uns und verbinden uns mit unseren geistigen Aspekten.
Tadasana kann uns lehren standfest, gelassen und ruhig im Leben zu stehen, unerschütterlich wie ein Berg. Versunken in unsere innere Stille und Kraft.