Am letzten Wochenende habe ich einen Zen Kalligraphie Kurs besucht. Wir übten Stunde um Stunde das Papier, die Tusche, den Atem, den Geist und den Körper miteinander zu verbinden. Aufrecht sitzen. Den Geist in die Stille bringen. Leere. Die Hand ganz ruhig halten. Der Atem führt den Pinsel. Die Bewegung kommt aus dem Becken oder aus den Schultern. Senkrechte Linien im Ausatem von oben nach unten. Waagerechte Linien im Einatem von links nach rechts. Der Körper vollführt einen Tanz. Schwarze Linien füllen unzählige Blätter. Jeder Kleks wird mit Freundlichkeit empfangen. Keine Abwertungen bitte.
Es ist still im Raum. Pure Konzentration. Neun, sich völlig unbekannte, Menschen sitzen fokussiert um den, mit schwarzem Molton bedeckten, Arbeitstisch. An jedem Platz eine Filzmatte, darauf ein Blatt Reispapier, ein Pinsel aus Wieselhaar, ein ausdrucksvoller Stein zum Beschweren des Blattes und eine Schale mit tiefschwarzer Tusche. Allein die Schönheit dieses Anblicks ist beruhigend. Klar. Die Meisterin führt meine Hand. Ich lasse mich ein, versuche das, was ich erspüre, abzuspeichern. Versuche ihren erfahrenen Schwung zu verinnerlichen. Sie begleitet uns zwei Tage lang voller Geduld und Zuversicht. Bremst immer wieder unsere bewertenden Zuschreibungen, versucht in uns eine allumfassende Akzeptanz zu entwickeln. Ein Kalligraphiestudium dauert Jahre. Heute trägt mich der Anfängergeist durch die Zeit, lässt meine schmerzenden Rückenmuskeln einfach schmerzend sein. Sonst nichts.
Der Werkraum des Ostasiatischen Museums Köln liegt an einer sehr befahrenen, sechsspurigen Durchgangsstraße. Es ist heiß, die Fenster sind geöffnet. In der Abschlussmeditation lenkt die Kalligraphiemeisterin unsere Aufmerksamkeit auf den rauschenden, lärmenden Verkehr und wir stellen fest, dass wir ihn in all den Stunden nicht ein einiges Mal wahrgenommen haben. Das ist Fokussiertheit. Das erfahren wir auch im Yoga. Pratyahara – das Zurückziehen des Geistes nach Innen, und Dharana - Konzentration. Beides zusammen leitet uns auf dem Pfad der Meditation.