Was erwartest du von Yoga? Diese Frage stelle ich meinen SchülerInnen gerne. Meist blicken mir erstaunte Gesichter entgegen.
Die Antworten bewegen sich dann, nach einigem Nachdenken, zwischen mehr Gesundheit, innerer Ruhe und Zufriedenheit.
Zufriedenheit wünsche auch ich mir. Was brauchen wir, um
Zufriedenheit herzustellen? Ich denke, wir brauchen einen
balancierten und klaren Geist dafür. Balance und Klarheit sind eine
geistige Haltung. Balance und Klarheit erwachen in uns, weil unser
Geist auf ein Objekt, mit dem wir in Kontakt kommen, reagiert und
antwortet. Durch die Wahrnehmung eines Objektes kommen wir
in Resonanz. Wie ein Cello, das in Schwingung gerät, sobald der
Bogen die Saiten berührt, geraten auch wir Menschen in
Schwingung, wenn wir sehen, hören, tasten, fühlen, schmecken.
Wir sollten uns also immer bewusst machen, womit wir unseren
Geist füttern. Gewalt im Fernsehen oder in der Tageszeitung,
Geschichten die wir hören oder lesen, Unterhaltungen, Bilder etc.
Auf all das antwortet unser Geist. Yoga hilft uns detailliert, den
unsteten Geist zu mehr Ruhe und Gelassenheit zu entwickeln,
indem wir ihn mit Informationen und Handlungen füttern, auf die er
mit Gelassenheit antworten kann.
Verschiedene Geisteszustände bestimmen unseren Alltag. Zufriedenheit, Verlangen, Klarheit und Konfusion. Zwischen ihnen wechseln wir ständig hin und her. Dabei bestimmen die Zeit und das Geistesobjekt, dem wir uns gerade widmen, unsere innere Balance weitestgehend.
Unser Geist ist in drei Systeme unterteilt.
1. Das Speichersystem
Dies ist die Basis des Geistes: Gefühle, Eindrücke, Erfahrungen werden hier aufbewahrt als Gedanken und Handlungen. Wenn uns dies bewusst wird nennen wir es Erinnerung.
2. Der Intellekt
Der Intellekt wertet das Speichersystem aus und unterteilt in Gutes und Schlechtes, Wünschenswertes und Ablehnenswertes.
3. Das Ich-Empfinden
Im Ich-Empfinden werden Entscheidungen getroffen. Handeln wir oder handeln wir nicht? „Das mache ich – das mache ich nicht.“
Diese drei Systeme arbeiten immer als Team miteinander. Ein Beispiel: wir entdecken bei einem Spaziergang ein Tier. Unser Speicherbewusstsein
erkennt es als ausgesetztes und bedürftiges Katzenbaby. Es aktiviert unsere Beschützerinstinkte. Dann wird der Intellekt angefunkt, sondiert die verschiedenen Aspekte unserer Gefühle und wertet
diese aus. Der Intellekt sendet an das Ich-Empfinden: nimm das
Baby mit. Das Ich-Empfinden entscheidet nun endgültig: nein, ich bringe es ins
Tierheim, oder ja, ich nehme es mit nach hause. Das alles läuft unbewusst ab und in großer Schnelligkeit.
Je öfter wir bestimmte Muster, Gedanken, Gefühle und Handlungen gelebt haben, umso unbewusster und eingefahrener werden sie. Sie können uns also auch behindern, einschränken und unsere Unzufriedenheit nähren. Üben wir also, wachsam und diszipliniert unsere Muster der Bewertungen, Sichtweisen, Wahrnehmungen und Entscheidungen zu erkennen und zu verändern. Wir haben die Fähigkeit zu wählen, ob wir einem friedlichen Gedanken den Vorzug geben vor einem weniger friedlichen. Kultivieren wir diese Fähigkeit ganz bewusst, so wird unser Geist stabiler und ruhiger.
Dabei arbeitet unser Geist mit drei hauptsächlichen Handlungsmethoden. Den sogenannten Gunas:
Sattva:
Gefühl der Leichtigkeit, Klarheit, Zufriedenheit, Ruhe und Heiterkeit. Sattva ist der ausgeglichene Geist. Weniger wollen, weniger Stimmungsschwankungen, mehr Freundlichkeit und Mitgefühl.
Rajas:
Übermaß an geistiger Aktivität und Stimulation. Starke Gemütserregung. Besessenheit, Sucht, Unruhe. Zu wenig Regulation. Wut, Streitsucht, Kontrollzwang, Gier und Ablehnung treiben unsere Handlungen an.
Tamas:
Trägheit, Schwere, Instabilität, Täuschung, Entscheidungsschwäche. Zu wenig Disziplin. Wir handeln gar nicht oder ohne zu denken. Wir handeln nicht, wenn wir sollten oder wir handeln, wenn wir nicht sollten. Inaktivität oder verzögerte Aktivität.
Rajas – unser Geist ist wie fließendes Wasser.
Sattva – unser Geist ist ein still ruhender See.
Tamas – unser Geist ist ein matschiger Tümpel.
Diese drei Formen des Geistes sind immer in Interaktion. Sie wechseln hin und her in unterschiedlicher Intensität.
Kurz gesagt: unser Geist ist ruhig, unruhig, und wolkig.
Um unsere mentale Gesundheit und Balance zu steigern, um zu wissen was uns und andere glücklich macht, um unser Wissen und Gespür in Klarheit einzusetzen, müssen wir Sattva nähren, entwickeln und fördern. Das ist Yoga.