Tat Tvam Asi ist eine der vier Großen Verkündigungen - Mahavakyas- aus der Chandogya-Upanishad. Die Upanishaden – eine Sammlung philosophischer Texte - sind den ältesten hinduistischen Schriften, den Veden entnommen. Die Veden werden auf 4000 bis 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung datiert. Die letzten Upanishaden entstanden ca. 700 bis 200 Jahre vor Christus.
Tat Tvam Asi kann man leger übersetzen mit: Du, dein Selbst, ist identisch mit der äußeren Welt und ist identisch mit dem Göttlichen.
Schopenhauer war fasziniert von dieser Aussage. Er fügte dem hinzu: „Das Tier, das du JETZT tötest, bist du selbst.......“
Bettina Bäumer übersetzt es so: „Was diese feinste Essenz ist (das Sein), das hat die ganze Wirklichkeit als ihr innerstes Prinzip. Das ist die Wahrheit. Das ist der Atman. Das bist Du.“
Atman ist das Leben oder Hauch oder auch „Der Innere Lenker“ oder “Das unsterbliche innerste Selbst des Menschen“.
All das ist mit dem Geist schwer zu verstehen. Letztlich erschließt es sich uns nur, wenn das Denken
still geworden ist und wir diese Essenz der Veden intuitiv empfangen, ins Herz sinken lassen.
Im Buddhismus sagen wir, alles ist eins. Alles ist mit allem verbunden. Alles findet sich in Allem wieder.
Thich Nhat Hanh erklärt das Phänomen der Verbundenheit aller Dinge sehr schön so: Ich halte ein Blatt Papier in meinen Händen. Was ist alles verbunden mit diesem Blatt Papier? Die Wolken, und der Regen den sie bringen, befeuchten den Wald, lassen Bäume wachsen und diese finden sich in jedem Stück Papier. Auch der Holzfäller und die Nahrung die ihn lebendig hält, die verarbeitende Papier-Fabrik, der Papierverkäufer, finden sich in jedem Blatt Papier. Die Familie des Waldarbeiters und des Fabrikarbeiters, über Generationen zurück, bis zum Anbeginn des Lebens, finden sich in diesem Blatt Papier. Wenn wir dieses Blatt Papier betrachten, findet sich auch unser Geist darin und der Geist desjenigen, der es beschrieben hat.
„Daher können wir sagen, dass alles in diesem Stück Papier enthalten ist. Ihr könnt nichts herausgreifen, was nicht darin ist – Zeit, Raum, die Erde, der Regen, die Mineralien der Erde, der Sonnenschein, die Wolke, der Fluss, die Hitze. Alles existiert gleichzeitig in diesem Stück Papier. Das Stück Papier ist, weil alles andere ist.“
„Wer das Göttliche nicht in sich selbst findet, wird es niemals außerhalb von sich selbst finden. Aber der, der es im Tempel der eigenen Seele sieht, sieht es auch im Tempel, welcher dieses Universum ist."
Sri Ramakrishna
Immer wenn ich mit Tat Tvam Asi im Herzen auf der Yogamatte Asana übe, atme oder meditiere, spüre ich, wie sich eine verstehende Güte in mir ausbreitet. Da gibt es Tage, da kann ich nur wenige Minuten im Kopfstand stehen. Zuerst bin ich enttäuscht, ich hatte etwas anders von mir erwartet. Dann bin ich erstaunt darüber, dass es heute für mich nicht leicht ist, wie sonst, im Kopfstand. Das bist du, sage ich mir. So bist du heute und es ist in Ordnung, wie es ist. Oder ich sitze zur Meditation auf dem Kissen und mein Geist ist wie die berühmte Horde schnatternder Affen. Auch mit langem Ausatmen lässt sich der unruhige Geist nicht beruhigen. Tat Tvam Asi – so ist es heute. Ich habe mehr Akzeptanz für mich selbst, wenn ich mich an Tat Tvam Asi erinnere und ich fühle mich verbunden. Verbunden mit all den Übenden, mit all den Ehrgeizigen, mit all den Zufriedenen, mit all den Faulen, mit all den Schmerzenden, mit all den Unsicheren, mit all den Starken und Beweglichen.......mit allen Facetten meiner Selbst. Und das befriedet mich mit dem, was ist. Immer wieder anders. Heute so und morgen vielleicht ganz neu.
Du bist, weil alles andere ist und du bist in allem anderen enthalten. Tat Tvam Asi – Das Bist Du.
तत् त्वम् असि
Chandogya - Upanishad 6.12.1-3 Übersetzt von Paul Thieme
1 ,,Hol eine Frucht des Feigenbaums!“ -
„Hier, Ehrwürdiger!" - ,,Zerteile sie!" - „Ich habe sie zerteilt, Ehrwürdiger.“ - ,,Was siehst du darin?“ - ,,Diese ganz winzigen Körner, Ehrwürdiger."- ,,Zerteile eines von ihnen, mein Guter!“ - ,,Ich habe es zerteilt, Ehrwürdiger.“- ,,Was siehst du darin?“ - ,,Gar nichts, Ehrwürdiger.“
2 Da sprach er zu ihm: ,,Diese Winzigkeit, die du nicht wahrnimmst, mein Lieber - wahrlich dieser Winzigkeit entstammend steht dieser Feigenbaum so groß da.“
3a ,,Glaube, mein Lieber: Was diese Winzigkeit ist, das ist das Selbst dieses Universums. Das ist die Wahrheit. Das ist das [individuelle] Selbst. Das bist du, Svetaketu.“
3 b ,,Der Ehrwürdige möge es mich noch besser begreifen lassen." ,,So sei es, mein Lieber“, sprach er.
Chandogya - Upanishad 6.13.1-3
1 ,,Lege dieses Salz in Wasser. Dann setz dich morgen früh zu meinen Füßen [zur Belehrung]." Das tat er so. Da sprach er zu ihm: ,,Das Salz, das du gestern abend ins Wasser gelegt hast, mein Guter, das bring her!“ Da fühlte er danach und fand es nicht. Wie versteckt, so [war es].
2 ,,Mein Guter, schlürfe vom Rand dieses Wassers! Wie ist es?" - ,,Salzig.“ - ,,Schlürfe von der Mitte! Wie ist es?" - ,,Salzig." - ,,Schlürfe vom anderen Rand! Wie ist es?“ - ,,Salzig." -,,lß etwas darauf. Dann setz dich wieder zu meinen Füßen!“
Das tat er so mit den Worten: ,,Dieses Salzige kommt immer wieder.“
Da sprach er zu ihm: ,,Wahrlich, was tatsächlich in diesem Wasser ist (,das in diesem Wasser seiende‘), mein Lieber, kannst du nicht greifen: tatsächlich ist es doch darin."
3 ,,Was diese Winzigkeit ist, das ist das Selbst des Universums. Das ist die Wahrheit. Das ist das [individuelle] Selbst. Das bist du, Svetaketu!"
तत्त्वमसि