In einer durch und durch psychologisierten Gesellschaft finden sich immer wieder neue Psychotherapierichtungen. Vor allem auf dem Coaching Markt tummeln sich mannigfaltige und oftmals nur vermeintlich psychologische Methodiken. Ich beobachte den Therapiemarkt seit mehr als 20 Jahren und bin immer wieder erstaunt darüber, was da so aus dem Boden schießt.
Spirituelle Fragen sind letztlich oft Thema im therapeutischen Prozess. Schon C.G. Jung hat sich mit der östlichen Philosophie beschäftigt und uns einen reichhaltigen Weisheitsschatz hinterlassen.
Im Buddhismus und auch in der hinduistischen Philosophie gibt es viele Anregungen, die auch mir bei meiner täglichen Arbeit als Psychotherapeutin zur Seite stehen.
Achtsamkeitspraxis kommt aus dem Buddhismus und hat längst Einlass in unsere Gesellschaft gefunden. Auch Meditation ist salonfähig geworden. Yoga-Psychologie, oder Buddhistische-Psychologie aber gibt es im Wortsinn nicht. Es gibt Konstrukte in der östlichen Philosophie, die uns den Geist erklären, die uns Achtsamkeitspraxis oder Meditation als Mittel, den Geist zu kultivieren, ans Herz legen. Und ja, als Therapeuten können wir aus dem reichen Schatz schöpfen und ihn mit unserer westlichen Tradition der Psychologie/Psychotherapie verknüpfen, sie als therapeutisches Werkzeug nutzen.
Der Yoga Boom rollt und so erstaunt es nicht, dass nun auch Yoga- Psychologie-Ausbildungen angeboten werden mit dem Ziel, Menschen in Not zu coachen. Wie zielführend oder hilfreich das ist, mag jeder für sich entscheiden.
In meinem Artikel „Die vier edlen Wahrheiten des Buddha oder Die fünf Kleshas“ habe ich bereits einen Exkurs in die östliche Philosophie gemacht und den Transfer in unser tägliches Leben versucht. Man kann die vier edlen Wahrheiten und/oder die Kleshas leicht in die Psychotherapie einbringen. Letztlich besteht die Kunst die östlichen Lehren in der Therapie zu nutzen darin, sie in das direkte Erleben und Erfahren des Menschen zu transferieren. Yoga ist im Ursprung Philosophie und Buddhismus ist im Ursprung eine Philosophie des Lebens. Ob Buddhismus auch Religion ist, wird durchaus kontrovers diskutiert.
Begeben wir uns also noch einmal auf die Reise in die hinduistische Philosophie.
Die vier Funktionen des Geistes sind buddhi, ahamkara, manas und citta.
Buddhi ist die Klarheit, das Vermögen zu unterscheiden und zu entscheiden, aber auch die intuitive Intelligenz und vor allem die Fähigkeit zu Erkenntnis. Die Facetten von Buddhi sind oft unausgeglichen. In unserer materiell bestimmten Gesellschaft wird die kognitive Intelligenz hoch bewertet. Emotionale Intelligenz und Intuition aber sind eher Nebenschauplätze. Wenn wir den verschiedenen Bereichen unserer Intelligenz ausgewogen Platz einräumen, wird Erkenntnis möglich.
Ahamkara heißt wörtlich übersetzt: der Ich-Macher. Ego. Ahamkara ist die Instanz unseres Geistes die unsere Identität bildet, die sich mit den ihn umgebenden Dingen, Worten, Taten identifiziert. Durch Identifizierung grenzen wir uns von anderen ab. Hier beginnt das „Ich Bin“. Hier beginnt das ‚sich getrennt fühlen’ von allen anderen Wesen und Dingen. Je mehr wir uns mit den Dingen identifizieren, umso mehr verlieren wir das Gefühl des Interseins, der Verbundenheit. Wir atmen alle dieselbe Luft und wenn wir sterben findet man uns in den Wolken, in den Regentropfen, in einem Sandkorn und in einer Blume......... Sich selbst lediglich als Einzelwesen zu erleben führt unabänderlich zu Leid. Wir finden den Begriff Ahamkara schon in den Upanishaden, später dann in der Samkhya Philosophie und auch in der Bhagavad Gita rät Krishna seinem Schüler Arjuna dringend dazu, die Illusion von Ahamkara zu überwinden.
Manas ist der umtriebige Anteil des Geistes durch den wir interagieren. Schnatternde Gedanken die zu Emotionen führen, Eindrücke, Bewertungen, Wollen, Zweifel. Die Welt ist voller Informationen. Voller denn je. Manas sammelt sie alle und reagiert, tritt in Kontakt mit dem Außen. Manas ist unser Verstand, unser analytischer Geist der so oft viel zu viel denkt, hinterfragt, bezweifelt und wertet, der uns aber auch leitet, schützt und das Leben interessant macht.
Citta ist das Speicherbewusstsein. Hier sind alle Erfahrungen, Erinnerungen und Eindrücke abgelegt.
Zusammen bilden diese vier Geistesfunktionen Antahkarana – die Fähigkeit zu erwachtem Handeln.
Das bisher Gesagte ist lediglich ein schriftlicher Abriss der Geistesfunktionen. Um sie wirklich zu durchdringen müssen sie beobachtet, erfahren und durchlebt werden. Halten wir die Geistesfunktionen in Balance, können wir uns harmonisch entwickeln.