Mallorca, die Schöne

Mallorca im Oktober, ruhiges Königswetter. Der Himmel tiefblau, die Felder werden wieder grün und am Wegrand blühen die ersten Blumen nach der langen Hitze des Sommers. Das Meer leuchtet in hellen blau—türkis Tönen, träge schlagen winzige Wellen an den feinen weißen Sandstrand. Ich stehe am Ufer und lasse meinen Blick vom Sand Richtung Horizont gleiten. Von hellem wasserblau bis tiefem nachtblau sind alle Blautöne vorhanden, fließen ineinander, werden dunkler und dunkler. Ich liebe seit Kindesbeinen die Farbe blau. In allen Nuancen. Hier kann ich mich kaum satt sehen. Meine Schwester lebt seit vielen Jahren auf der Königin der Mittelmeerinseln. Sie kennt mich gut. Mein Bettbezug ist tintenblau, die Handtücher königsblau, mein Strandtuch ist türkis und dann hat sie mir noch einen strahlend blauen Sarong hingelegt.

Langsam spaziere ich ins Meer hinein, tauche unter, nehme ein wasserblaues Farbbad, schwebe, Himmel und Wasser werden eins, ich schließe die Augen und stelle mir vor, dass auch in meinen Adern und in jedem Hohlraum meines Körpers dieses  Blau fließt. Blau, die Farbe der Heilung. Das Wasser ist glasklar und völlig ruhig. Auf dem Grund tanzen die Sonnenstrahlen. Ihr Prisma leuchtet. Kleine Fische nagen meine Hautschuppen ab, putzen mich. Sanftes Kitzeln. Ein Mann paddelt in seinem Kajak vorüber. Geräuschlos. Wieder im seichten Wasser nehme ich eine Handvoll Sand und reibe meinen Körper ab. Naturpeeling. Danach ist die Haut babyweich.

In der Inselmitte ist die Ursprünglichkeit Mallorcas erhalten geblieben. Die ockerfarbenen Bauernhäuser liegen eingebettet in die grüne Kulturlandschaft. Wächter Palmen stehen vor jedem Grundstück. Johannisbrotbäume spenden Schatten, Aleppokiefern verströmen ihren typisch mediterranen Geruch. Jeden morgen spazieren wir durch die Felder, die das Haus meiner Schwester umgeben. Hunde dösen in der Sonne, ein Esel schreit zur Begrüßung sein IA über die Täler. Er freut sich über die Feigen, die wir ihm als Mitbringsel von den umliegenden Bäumen gepflückt haben. Diese ländliche Ruhe weckt einen Archetypus der Erdverbundenheit in mir und lässt meine Gedanken viele Jahre zurückwandern. Als junge Frau lebte ich einige Monate in Italien auf einem uralten Bauerngehöft. Es lag weit weg von der nächsten Straße, einsam in der lieblichen toskanischen Landschaft. Damals spürte ich diese Verbundenheit mit Mutter Erde ganz besonders stark. Manchmal legte ich mich einfach bäuchlings ins Gras vor dem Haus und hörte der Erde zu. Das waren reine Glücksmomente, die seit dem in der Schatzkammer meiner Gefühle verwahrt liegen.

Anfang Januar bin ich wieder da. Wieder ist der Himmel zur Begrüßung blau und eine tiefe goldene Sonne schüttet warmes Licht auf mich herab. Ich halte inne, spüre das Licht in mich hineindringen, dieses Licht, nach dem ich mich seit Wochen, im immer grauen Deutschland, so gesehnt habe. Dieses Licht, das meinen Geist warm und weich macht, das Freundlichkeit und Leichtigkeit in mir zum Leben erweckt, dieses Licht, das in jeden Raum zwischen meinen Zellen sickert und mich nährt, wie Wasser, das in ausgetrockneten Boden dringt und sich verteilt, ausfüllt, auffüllt.

Ich ziehe die dicke Winterjacke aus, schmeiße die Stiefel in den Kofferraum und entledige mich der Wollsocken. In den leichten Wildling Schuhen atmen meine Füße auf. Endlich sind sie wieder frei.

 

Ich muss gestehen, dass ich Weihnachtskitschbeleuchtung mag. Hier gibt es sie üppig. Über den engen Gassen hängen Sterne, die Bäume sind über und über mit kleinen glitzernden Lichternetzen geschmückt, ganz Palma leuchtet und glänzt, wie man es sonst nur in NewYork findet. Der Kinderseele in mir wird ganz warm ums Herz. Ich schlendere den Born hinunter Richtung Meer, bis sich mir linker Hand der Blick auf die Kathedrale eröffnet. Das Wahrzeichen der Stadt. Erdfarben, prächtig und erhaben dominiert sie die Altstadt Palmas. Kathedrale des Lichts wird sie von den Mallorquinern genannt, oder einfach La Seu - Bischofssitz.

61 Buntglasfenster öffnen ihre Mauern als Pforten des Lichts und erfüllen ihren Innenraum mit vielfarbenen Strahlen. Ich steige die Stufen hoch zum Portal. Von hier hat man einen wunderschönen Blick auf die gesamte Bucht, auf den Hafen und auf all die belebten Plätze mit ihren Bars, Restaurants und Geschäften. Ein Lichtermeer und dahinter der Ozean. Zum Glück verunstaltet um diese Jahreszeit keines der hässlichen hochhausähnlichen Kreuzfahrtschiffe den Hafen.

Palma, die Perle im Mittelmeer, verführt mich wie immer dazu, genüsslich durch ihre engen Gassen zu schlendern. Hier kann ich mit Leichtigkeit vergessen in welchem Jahrhundert ich lebe.

 

Immer wenn ich in Palma bin besuche ich die Kunstgalerien im LaLonja Viertel und die exklusiven Designerläden mit Mode spanischer Künstler, die ich nur bewundern kann, denn zum Erwerben sind all die herrlichen Kleidungsstücke viel zu teuer, zumindest für mich.

 

In der Markthalle im modernen Catalina Viertel trifft man zu dieser Jahreszeit hauptsächlich Einheimische. Hier gibt es mittags köstlich frische Sushi und die exquisite Gesellschaft zweier älterer mallorquinischer Herren, die mich bereitwillig aus ihren Weingläsern probieren lassen und zum Abschied unterstreichen, dass ich sie täglich zur Mittagszeit hier finden kann. Auf ein Glas Wein und einen netten Plausch. Gerne.