Ich öffnete ein Geschenk und hielt einen Gutschein über 1,5 Stunden Floaten in den Händen. Gehört hatte ich schon davon, die Bilder dazu, in meinem Kopf, waren reichhaltig. Was ich dann erlebte, übertraf meine Vorstellung.
In meinen Träumen kann ich manchmal fliegen und das ist wunderbar. Ich bin jedesmal traurig, wenn ich aus einem solchen Traum erwache. Über die Landschaften zu fliegen, langsam dahin zu gleiten, die Welt von oben zu erleben, leicht zu sein, die vertraute Gebundenheit an die Schwerkraft hinter mir zu lassen und zu schweben, macht mich jedesmal glücklich. Floaten ist ähnlich.
Ich reiste also an einem sonnigen Montag mit meinem Gutschein Richtung Eifel, um mich in extrem salziges Wasser zu legen. Ein netter Herr nahm mich in Empfang und erklärte mir genau, was auf mich zu kam. Das salzige Wasser würde mich tragen, ich könne mich dem anvertrauen und loslassen. Ich solle nur acht geben, dass kein Wasser in meine Augen gelangt.
Das runde Floatingbecken ist sehr groß. Der Raum ist blau, schummriges Licht, ein Buddha sitzt am Beckenrand. Als Buddhistin empört es mich, dass die Symbolfigur der buddhistischen Lebensphilosophie als Beauty- und Wellnessprodukt missbraucht wird. Ich sah ihn schon in Cafetoiletten, auf Golfplätzen, in nahezu jedem Kosmetikstudio, und im Friseursalon bewacht er die Stapel von Frauenzeitschriften. Sinnentleert. Würden wir den Buddha an all diesen Plätzen durch einen Jesus am Kreuz austauschen, käme der uns deplaziert vor, pietätlos. Nicht so bei Shakyamuni Buddha. Nun gut, er sitzt am Beckenrand und ich beschließe, mich nicht zu ärgern, sondern mich an seiner würdevollen Präsenz zu erfreuen. Ich mache also ein Gassho-eine Verbeugung. Die Tür hinter mir schließt sich, ich bin allein. Ich dusche und dann steige ich in das warme, salzige Wasser. Es trägt mich. Ich liege auf dem Rücken, schwebe im Wasser. Das Licht geht aus, es ist stockdunkel. Der Raum ist schallgeschützt. Stille. Dunkelheit. Ich taste mich innerlich an diese neue Erfahrung heran.
Ich liebe es zu schwimmen. Wenn ich am Meer bin, oder an einem See, schwimme ich spazieren. Aber ich habe auch Respekt vor dem Wasser. Früher schwamm ich im Meer einfach immer weiter geradeaus, Richtung Horizont. Dann sah ich, eines Tages, eine Dokumentation über einen Haiforscher. Der sagte in einem Nebensatz: wer ins Meer hinaus schwimmt muss sich bewusst sein, dass er sich in die Nahrungskette einreiht. Seitdem schwimme ich am Ufer spazieren.
Sich dem Wasser regungslos anzuvertrauen, nichts machen zu müssen, erinnert mich an Embryos im Mutterwasser. Langsam fange ich an, mich zu entspannen. Noch jagen meine Gedanken durch die Erfahrungsschätze meiner Vergangenheit. Ich vergleiche, bewerte, nehme alle aufpoppenden Gedankenstränge zur Kenntnis. Dann fange ich an, mich ganz bewusst auf meinen Körper zu konzentrieren. Die Wärme des Wassers, das weiche eingehüllt sein. Mein Herzschlag, der mich an meine Lebendigkeit erinnert. Mein Atem, den ich bis in die äußersten Gebiete des inneren Körpers begleite, mein Atem, der unbeeindruckt über meine Knochen und Organe streicht und immer tiefer und langsamer wird. Die wunderbare Schwerelosigkeit. Ich schwebe im Raum und spüre das Pulsieren der Lebendigkeit. Kurz schießt ein Gedanke von Weltall durch meine Nervenbahnen. Dann gleite ich wieder in die reine Wahrnehmung. Atmen, pulsieren, getragen sein. Es ist egal ob ich die Augen geöffnet halte oder schließe. Die Dunkelheit ist innen und außen gleich. Die Stille füllt mich aus. Ich bin die Stille. Die Grenzen verschmelzen. Die Zeit steht still.
Als ein Gong ertönt und das sanfte Licht sich in mein Gewahrsein dimmt, bin ich erstaunt, wie schnell die Zeit vergangen ist. Und ich möchte bleiben. Immer so bleiben.
Langsam tauche ich aus der Tiefsee meines Geistes wieder auf, steige aus dem Wasser und stelle mich der Schwerkraft. Ruhe hat mich geflutet. Unter der Dusche nehme ich meine Grenzen wieder wahr. Wasser prasselt auf Haut, spült die Salzkruste in den Abfluss. Als ich die Tür dieses geheimnisvollen Ortes hinter mir schließe, begrüßt mich helles Sonnenlicht. Ich werde zu einem Liegestuhl geleitet und bekomme ein großes Glas frisch gepressten Saft überreicht. Ergeben gleite ich in die Hierwelt zurück, dankbar für dieses ganz besondere Erlebnis.